Zuletzt aktualisiert: 5. Januar 2024
Wer hier die Top Ten der klangvollsten Sprachen für Poetry und Literatur erwartet, wird leer ausgehen. Denn der Klang einer Sprache wird nicht universell, sondern individuell wahrgenommen und bewertet. Dennoch gibt es Anhaltspunkte dafür, was in vielen Ohren gut klingt. Doch lesen Sie besser selbst!
Was bringt eine Sprache zum Klingen?
Für den Klang einer Sprache sind einem wissenschaftlichen Aufsatz1 im Jahrbuch des Instituts für deutsche Sprache 2009 zufolge viele Faktoren verantwortlich, unter anderem:
- die Sprechtonhöhe, die demnach hoch bis tief sowie bewegt bis eintönig (monoton) sein könne.
- der Stimmklang, zu dem wiederum die folgenden Faktoren zählen würden:
- die Klangfülle, die sich mit klangvoll bis klangarm beschreiben lasse.
- die Klangfarbe, die hell bis dunkel ausfallen könne.
- die Weite oder Enge im Rachen (sogenannte faukale Distanz), die weit bis eng sein könne.
- die Stimmeinschwingphasen und Stimmausschwingphasen, die zwischen weich und hart variieren würden.
- der Geräuschanteil, der von klar bis geräuschhaft wechseln könne und dazu führe, dass die Stimme behaucht, rau, gepresst oder geknarrt klinge.
- die Lautheit, die von laut bis leise reiche.
- die Sprechgeschwindigkeit, die schnell bis langsam sein könne. Gut zu wissen: Die Sprechgeschwindigkeit gebe demnach an, wie viele sprachliche Einheiten – Laute, Silben oder Wörter – in einer bestimmten Zeiteinheit (Sekunde, Minute) gesprochen würden. Wobei das gehörte beziehungsweise wahrgenommene Sprechtempo auch von Sprechpausen, Akzentuierungsstärke, Artikulationspräzision, Lautdehnungen und mehr abhänge, ist weiter zu lesen.
- die Akzentuierung, die stark bis schwach sowie eher melodisch über dynamisch bis temporal beschrieben werden könne.
- der Sprechrhythmus, der sich zwischen staccato (klar getrennt) und legato (ineinander übergehend) sowie skandierend und nicht skandierend bewegen könne. Der Sprechrhythmus regele demnach, welche Silben akzentuiert, nicht akzentuiert und schwach akzentuiert würden. Er ließe sich auch den Kategorien Spannung und Entspannung zuordnen.
- die Sprechspannung, die zwischen gespannt und ungespannt wechsle.
- die Artikulation, die von Aussprachenormen ebenso wie von emotionaler Stimmung beeinflusst werde. Zur Artikulation würden demnach Merkmale wie diese zählen:
- die Artikulationspräzision beziehungsweise -genauigkeit (präzise bis unpräzise, genau bis ungenau), die Auskunft zum Grad der Sorgfältigkeit bei der Aussprache gebe und von körperlichen Bedingungen abhänge, darunter Artikulationsspannung, Lippentätigkeit, Kieferöffnungsweite, Zungenlage, Gaumensegelfunktion, Kehlkopfstand.
- die Lippenstellung, die gestülpt oder gespreizt sein könne.
- die Lautdauer, die von gedehnt bis verkürzt reiche und auch von der Sprechgeschwindigkeit abhänge.
Sie sehen, die Vielzahl und Vielfalt der oben angeführten Faktoren, die für den Klang einer Stimme – und damit den Klang einer mit dieser Stimme gesprochenen Sprache – verantwortlich sind, ist groß.
Die Verfasser des Aufsatzes weisen darauf hin, dass der Klang als sogenannter Höreindruck komplex sei. Ganz wichtig zu beachten sei bei der Bewertung eines Stimm- beziehungsweise Sprachklangs, dass dies kein rein objektiver Prozess sei. Denn dabei fänden subjektive Einschätzungen der Stimmungen statt, die teils ursächlich für den Klang gemacht würden. Um diese einzuordnen, würden die Hörenden sich in die möglichen Stimmungen hineinversetzen und diese nachempfinden. Bei dieser Art Mustererkennungsprozess komme es zu einer Interpretation und sogar zu Unterstellungen. Denn die Hörenden würden den Klang der Stimme / Sprache mit etwas vergleichen, das sie kennen. Dazu würden sie sich in den Klang einfühlen.
Ob eine Stimme beziehungsweise Sprache klangvoll ist oder nicht, entscheidet demnach jeder großteils für sich.
Eindringlich klingt in vielen Ohren besser als eintönig
Es gebe dem erwähnten Jahrbuch zufolge Forschungsarbeiten im Bereich Sprechwirkung, die beispielsweise belegen, dass Hörende eine eindringliche Stimme beziehungsweise Sprache bevorzugen, wenn sie die Wahl zwischen dieser und einer monotonen haben. In einem Versuch wurde die eindringlichere Stimme als verständlicher, strukturierter, interessanter und gefühlvoller bewertet. Zudem merkten sich die Hörenden das eindringlich Gesprochene besser als das monoton Gesprochene.
Sie suchen Dolmetscher, die besonders klangvoll dolmetschen, um ein Maximum an Verständnis zwischen den fremdsprachigen Gesprächspartnern zu garantieren?
Dann sind Sie bei uns richtig! Unsere professionellen Dolmetscher liefern nicht nur den Wortlaut des Gesprochenen, sondern binden diesen in den atmosphärischen Kontext des Gesprächs ein.
Kontaktieren Sie uns direkt hier, um sich ein Angebot machen zu lassen!
Fluchen alle nach ein und demselben Klangmuster?
Eine aktuelle Pilotstudie2 (Springer, EN) untersuchte den Klang internationaler Schimpfwörter – wobei die untersuchten Sprachen Arabisch, Chinesisch, Finnisch, Französisch, Deutsch und Spanisch typologisch weit voneinander entfernt lägen, schreiben die beiden Autoren Shiri Lev-Ari und Ryan McKay.
Auf der Suche nach statistischen Regelmäßigkeiten in den Lauten der Schimpfwörter dieser Sprachen fanden Lev-Ari und McKay heraus, dass
- sich nicht alle Laute gleichermaßen für Schimpfwörter eignen würden.
- die Lautsymbolik, bei der bestimmte Laute mit bestimmten Bedeutungen assoziiert würden, weiterverbreitet sei, als bisher angenommen, über die Bezeichnung einzelner Begriffe hinausgehe und pragmatische Funktionen erfülle.
- der beste Kandidat für ein sprachübergreifendes phonemisches Muster im Schimpfwort das Fehlen von sogenannten Approximanten (sonore Laute wie l, r, w und y) sei.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ)3 kommentiert das Studienergebnis als sinnvoll. Denn mit Wörtern, die „wegen lauter ls und ws im Mund rumwabbeln“, könne sich demnach ja niemand eine emotionale Entlastung verschaffen. Wobei die SZ auf eine Ausnahme hinweist: Franzosen könnten das offenbar schon. Für deren Landessprache, und das sei auch ein Ergebnis der Pilotstudie, treffe die l-r-w-y-Regel nicht zu.
Es klingt ähnlich, wenn Mütter mit ihren Babys sprechen
Das Onlineportal Bilder der Wissenschaft4 berichtete im Jahr 2017 von der Entdeckung eines bis dahin unbekannten Merkmals der sogenannten Babysprache, mit der sich Mütter ihren kleinen Sprösslingen zuwenden würden: Demnach sei die Stimme von Frauen zwar so einzigartig wie ihr Fingerabdruck – doch dieser Fingerabdruck ändere sich: Redeten die Mütter mit Erwachsenen, wäre die Klangfarbe anders gewesen, als wenn sie mit ihren Babys gesprochen hätten. Spannend: Bei allen durchweg englischsprachigen Müttern im Test5 habe sich die Klangfarbe dabei auf eine ähnliche Weise verschoben.
Der Unterschied zwischen den beiden Sprechweisen der Mütter wäre dabei sogar so deutlich gewesen, dass ein Computer mithilfe eines Algorithmus habe erlernen können, verlässlich zwischen Babysprache und normaler Sprechweise zu unterscheiden – unabhängig von der Tonhöhe oder verräterischen Hintergrundgeräuschen hätte eine nur eine Sekunde lange Sprachprobe dafür ausgereicht.
Infolge dieses Ergebnisses fragten sich die Wissenschaftler, ob das Verschieben des Klangspektrums ein universelles Merkmal der Babysprache sei, also etwas, was alle Frauen unabhängig von ihrer Muttersprache machten. Um das zu überprüfen, sei der gleiche Test noch einmal mit zwölf Müttern mit unterschiedlichen Sprachen gemacht worden. Das Ergebnis: Egal ob Mandarin, Polnisch, Russisch, Französisch, Spanisch oder Deutsch – der Fingerabdruck der Stimme veränderte sich immer nach demselben Muster, wenn die Frauen mit ihren Babys sprachen, schreibt das Onlineportal. Das sei faszinierend, denn die Sprecher würden diesen Wechsel der Klangfarbe gar nicht bemerken – und trotzdem scheine er unsere Kommunikation mit Babys zu charakterisieren, zitiert das Portal die nicht an der Studie beteiligte Psychologin Jenny Saffran von der University of Wisconsin in Madison (USA).
Und in welcher Sprache klingen Poetry und Literatur nun am vollsten in unseren deutschhörigen Ohren?
Das Spanische und Italienische habe ein Betonungssystem mit wenig Höhen und Tiefen. Das könne einen staccatoartigen Eindruck wecken, der die Sprachen etwas klangloser und somit vielleicht auch schneller klingen lasse. Das sagte Sabine Ziegler vom Lehrstuhl für Indogermanistik an der Universität Jena der Onlineausgabe der Tageszeitung Welt6.
Französisch und Englisch dagegen hätten eine sehr ausgeprägte Sprechmelodie, mit häufig wechselnder Tonhöhe. Dies verleihe beiden Sprachen einen klangvollen und ausdrucksstarken Charakter. Wobei in beiden Sprachen die Vokale besonders starke Klangträger seien, sagte Alexandra Zepter vom Institut für Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Köln der Zeitung.
Im Arabischen klingen die typischen Kehllaute für uns Deutsche eher rau oder gar forsch.
Und wie klingt deutsche Poesie und Literatur in fremdsprachigen Ohren?
Das Deutsche dagegen sei für seine Konsonantenanhäufungen berühmt und seinen deshalb eher harten Klang berüchtigt. Auch der typisch deutsche Knacklaut sei dafür mitverantwortlich, sagt Nicole Richter aus dem Bereich Sprachgebrauch und Angewandte Sprachwissenschaft an der Europa-Universität Viadrina.
Ob Übersetzer oder Dolmetscher – beide Sprachprofis müssen neben der reinen Sprachübertragung auch den situativen Kontext im Auge haben und eine Menge Menschenkenntnis mitbringen, um den originalen Klang und seinen Einfluss auf die Bedeutung des Gesagten korrekt mit zu übertragen. Für unsere professionellen Übersetzer und Dolmetscher ist das daily Routine.
Stellen Sie uns Ihr Vorhaben vor – wir machen Ihnen ein klangvolles Angebot!
Referenzen
Jahrbuch des Instituts für Deutsche Sprache 2009
1 Bose_Stimmlich_artikulatorischer_Ausdruck_und_Sprache_2010.pdf (bsz-bw.de)
2 The sound of swearing: Are there universal patterns in profanity? | SpringerLink
4 Klangvolle Babysprache – wissenschaft.de
5 https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(17)31114-4
Ressourcen
0 Die schwierigsten Sprachen der Welt
3 Kolumne „Bester Dinge“: Wie Menschen weltweit fluchen – Panorama – SZ.de (sueddeutsche.de)
6 Linguistik: Warum Deutsch hart klingt – und Arabisch forsch – WELT