Jugendsprache: Wo bitte gibt’s das Update für die Alten?

Zuletzt aktualisiert: 27. September 2023

Als Bindemittel ist Sprache unerlässlich für das Zusammenleben der Individuen einer Gesellschaft. Damit die Begegnungen der Menschen auf Augenhöhe stattfinden, braucht es eine Sprache, die alle verstehen. Denn nur dann sorgt sie für gegenseitiges Verständnis. Die Jugend gilt seit jeher als Trendsetter für die sich stetig verändernde Sprache. Jugendsprache zu verstehen, lohnt sich daher – doch wo bitte können die Alten ihre Sprache updaten? Das sagen Sprachexperten:

Cringe?

„Cringe“ – das wäre wohl die Reaktion junger Menschen von heute (2023), wenn sie hören, wie in ihren Augen alte Menschen, also gefühlt alle Ü23, up to date bleiben wollen, indem sie die aktuelle Jugendsprache sprechen. Und irgendwie („iwie“) kann man die Jungen auch verstehen, schließlich gehört die Jugendsprache ihnen – oder nicht?

Für Sprachwissenschaftler sind junge Menschen ein „Motor der Sprachentwick­lung“. Dr. Nils Bahlo – er doziert über Sprache an der Universität Münster – sagte gegenüber der Onlineausgabe des Nachrichtensenders ntv1, dass Jugendliche vor allem deshalb für sprachliche Innovation sorgen, weil in ihrem Alltag (für sie) viel Neues passiere – mehr zumindest, als bei den Alten.

Jugendsprache und Jugendwörter

Auch fürs Dolmetschen und Übersetzen ist Jugendsprache von Belang. Unsere professionellen Dolmetscher und Fachübersetzer verstehen die Jugendsprache ihrer jeweiligen Arbeitssprachen und übertragen sie wie eine Fachsprache von einer in die andere Sprache. Sie haben Projekte mit Jugendsprache? Stellen Sie uns direkt hier Ihre Anfrage – wir stehen Ihnen gerne zur Seite!

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Wie wird Jugendsprache gebildet und verbreitet?

In ihrer Masterarbeit „Mythos Jugendsprache. Eine Untersuchung zum Sprachbewusstsein Jugendlicher“2 (2019, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt) beschreibt Katharina Müller zwei „Prozesse der Stilbildung und -verbreitung“:

  1. Junge – De-Standardisierung zur Stilbildung: innovative, kreative und regelkonforme Transformation von Begriffen und Ausdrücken aus der Standardsprache (Bedeutungserweiterung)
  2. Alte – Re-Standardisierung zur Stilverbreitung: Gebrauch von Begriffen und Ausdrücken aus der Jugendsprache in der Standardsprache

Besonders lesenswert ist übrigens die Antwort des Sprachexperten Bahlo auf die ntv-Frage, ob die Jugendsprache die deutsche Sprache „bedrohe“ beziehungsweise sie wegen der Jugendwörter an Schönheit verliere (Stichwort: Sprache verderben)3: „Wenn wir von Verlust sprechen, müssten wir auch erstmal identifizieren, wann die Sprache in Ordnung war. Da kommt das große Problem: Selbst zu Goethes und Schillers Zeiten wurden ihre Werke in bestimmten Kreisen als Schundliteratur bezeichnet.“

Als Setter für Wort- beziehungsweise Sprachtrends, nennt Dr. Bahlo Klassiker wie Hobbys, Schule, Alkohol- oder Drogenkonsum, Duellieren, Wettstreit, Freunde und Musik. Heute kämen demnach noch die großen Influencer aus Social Media hinzu.

Wie können Alte ihre Sprache updaten?

Wenn man die deutsche Sprache schon in eine junge und alte Version (oder gar mehrere ältere Versionen – eine älter als die andere) unterscheidet, dann muss es eine Sprachversion geben, die alle Mitglieder der Gesellschaft sprechen und verstehen. Man könnte die Sprachversionen der verschiedenen Generationen dann als Fachsprachen ansehen, während die Umgangssprache oder auch Standardsprache diejenige ist, die alle verbindet: jung, älter, alt.

Wobei wahrscheinlich ist, dass die Umgangssprache als Kommunikationsmittel nicht das Maß an Verständigung und damit Verständnis zwischen verschiedenen Generationen bringt, wie die „Fachsprache“ der jeweiligen Generation.

Was heißt das nun für die Generationen verbindende Kommunikation, die unabdingbar für das Funktionieren unserer Gesellschaft ist? Ganz einfach: miteinander reden, einander zuhören!

Hier geht’s für die Alten lang zum Sprachupdate!

Je „fachspezifischer“ die Jugendsprache in den Ohren der Älteren und Alten klingt, desto wichtiger ist die Nähe zu den jungen Menschen, die man verstehen will.

Eltern und Sorgeberechtigte sind hier klar im Vorteil – je mehr Kinder unterschiedlichen Alters, desto näher dran ist man an der Jugendsprache! Die #motherof4 Doreen Brumme, Journalistin aus Hamburg bestätigt das. Ihre vier Kinder sind 19, 17, 14 und 9 Jahre alt. „Jedes Kind spricht ‚seine Sprache‘“, sagt die Journalistin. „Trotz des gar nicht so großen Altersunterschiedes bringen die Kinder eigene Wörter aus Schule, Sportverein und Freundeskreis heim. Als Journalistin habe ich neben dem mütterlichen auch ein berufliches Ohr für die sprachlichen Feinheiten: Ich beobachte den steten Sprachwandel über die Jahre hinweg bei jedem Kind für sich und den gemeinsamen Austausch der verschiedenen ‚Sprachgenerationen‘ am Esstisch. Und das ist sehr spannend: Die Kinder wirken wie Katalysatoren für die Sprache ihrer Geschwister. Der Neunjährige lernt von den Älteren – und umgekehrt. Und alle tragen die neuen, neu betonten oder neu gedeuteten alten Wörter, Sprüche und mehr in ihre Sprachgruppen. Eine Familie wie unsere beschleunigt den Sprachwandel.“

Gibt es also gar nicht die eine Jugendsprache, sondern viele? Gegen eine homogene und einzige Jugendsprache sprechen sich laut der Masterarbeit von Roswitha Ivastinovc zum Thema „Jugendlicher Sprachgebrauch. Modifikationen in und durch Medien“4 (2021, Karl-Franzen-Universität Graz) mittlerweile zahlreiche Sprachwissenschaftler aus. Ihre Begründung: Die Jugendsprache könne es nicht geben, will es auch nicht die Jugend, also die eine homogene Gruppe Jugendlicher, gebe.

Ähnlich nah an der Jugend und ihrer Sprache sind die Menschen, die ähnlich viel Zeit mit den jungen Menschen verbringen wie deren Eltern und Sorgeberechtigte: Betreuende in Krippe und Kita, Schule, Ausbildungsstätte und Studium, Sportverein sowie Hobby.

Wer keinen Kontakt mit der jungen Generation hat, dem bringt ein direkter „Besuch“ der unten genannten Domains sprachliche Nähe: Wer die Jugendsprache entschlüsseln möchte, kann sich heutzutage multimedial einhören und einlesen.

Alte, die Jugendsprache sprechen, sind peinlich!

Der Sprachexperte Dr. Bahlo erwähnt in seinem Interview mit ntv auch, dass eine Studie gezeigt hätte, „dass Jugendliche es absolut peinlich finden“, wenn Ältere „jugendlich klingen wollen“. Er begründet das Aufkommen von Peinlichkeit damit, dass die jungen Menschen „gewisse Rollenerwartungen“ an Erwachsene hätten und sich demnach „ihrer Rolle entsprechend“ ausdrücken und verhalten sollten. Tanze ein älterer Mensch aus der Reihe, komme das unerwartet rüber und könne missdeutet werden. Zum Beispiel so, als wolle sich der Ältere über die Jugend und ihre Sprache lustig machen.

Um mit der Jugendsprache nicht peinlich rüberzukommen, hat Doreen Brumme folgende Tipps:

  1. Fragen Sie die jungen Sprechenden, sobald Sie deren Jugendsprache nicht mehr verstehen, was sie sagen und was das Gesagte bedeutet.
  2. Für eine Verständigung auf Augenhöhe ist es vollkommen ausreichend, die Jugendsprache zu verstehen. Sie müssen Sie für sich „übersetzen“ können. Die Kinder wollen verstanden werden.
  3. Reagieren Sie auf die Sprache der jungen Menschen ruhig in der Ihnen gewohnten Standardsprache oder Umgangssprache – die verstehen die Kids!

Und Eltern und Sorgeberechtigten, deren Kids mit Wörtern heimkommen, die sie ganz offenkundig (noch) nicht verstehen und daher falsch gebrauchen, rät die Vierfachmutter zur sofortigen Aufklärung. Die startet sie in ihrer Familie gerne mit der Frage „Was hast du gesagt?“ und fragt dann nach, was das Kind damit meinte. „Bloß nicht gleich meckern oder dem Kind über den Mund fahren. Es wusste es meist nicht besser. Im Verlauf des sich aus der Nachfrage ergebenden Gesprächs lernen Klein und Groß. Und als Erwachsene kann ich dabei auch jederzeit Grenzen zum Gebrauch der Sprache aufzeigen, indem ich erkläre, wie ich und andere bestimmte Wörter verstehen. Welche Gefühle sie in einem wecken. Dann frage ich das Kind, wie es sich selbst fühlen würde, wenn es diese Dinge zu hören bekäme. Wir können uns dann sogar absprechen, dass wir bestimmte Wörter nicht benutzen, weil sie abwerten.“

Vom ‚Digga(h)‘ bis zum ‚Yolo‘ – Jugendwort 2023?

Das Jugendwort des Jahres sorgt jedes Jahr für neue sprachliche Überraschungen und zeigt, wie sich die Jugendsprache ständig weiterentwickelt. In diesen Wörtern vereinen sich Sprache und Kultur. Es kann ein Wortspiel, Trendbegriff oder auch ein Slangausdruck sein, der sich in der Jugendkultur etabliert hat. Ein Symbol für die Kreativität der Jugend. Egal ob lustig, provokant oder einfach nur cool – abstimmen ist angesagt: Wähle das Jugendwort des Jahres 2023! | Langenscheidt

Jugendsprache gibt es in jeder Nationalsprache und in vielen Dialekten. Unsere professionellen Dolmetscher und Übersetzer gehen damit um wie mit einer Fachsprache der jeweiligen Sprache. Sie liefern Ihnen Sprachdienstleistungen, die die Jugend versteht.

Stellen Sie uns gerne Ihr Vorhaben vor, wir freuen uns auf Ihre Anfrage!

Referenzen

1 https://www.n-tv.de/leben/Jugendliche-sind-der-Motor-der-Sprachentwicklung-article24107201.html
2 https://netlibrary.aau.at/obvuklhs/download/pdf/5692198 (PDF)
3 https://getd.libs.uga.edu/pdfs/deising_kirsten_201005_ma.pdf (PDF)
4 https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/6714749 (PDF)

Ressourcen

https://www.sr.de/sr/sr1/programm/themen/jugendwort_des_jahres_2023_100.html
https://www.dasding.de/newszone/top-ten-jugendwoerter-online-voting-offen-100.html

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