Sprachensterben: Das große Schweigen

Zuletzt aktualisiert: 6. November 2023

Der UNESCO-Weltatlas der Sprachen zählt weltweit 8.324 offiziell dokumentierte Sprachen, die sich sprechen oder gebärden lassen. Davon seien aktuell noch etwa 7.000 in Gebrauch. Das klingt nach Sprachvielfalt und da Sprache auch Teil der Kultur ist, nach Kulturvielfalt. Doch der Hälfte der heute noch gesprochenen Sprachen droht das Schweigen: Sie sterben aus und mit ihnen auch ein Teil unserer Kultur. Wir werfen einen Blick auf die bedrohten Sprachen weltweit und zeigen Strategien zu ihrer Rettung auf!

13 Sprachen in Deutschland droht das große Schweigen

Wenn man an aussterbende Sprachen denkt, dann führen einen die Gedanken schnell hinaus in die weite Welt. Dabei gibt es dem Weltatlas der aussterbenden Sprachen zufolge auch hierzulande Sprachen, die vom Schweigen bedroht sind, allen voran:

  1. Nordfriesisch,
  2. Saterfriesisch (auch Ems-Weser-Friesisch genannt)
  3. Jütländisch
  4. und Romani.

Von immer weniger Menschen gesprochen würden laut der Wochenzeitschrift Focus, die die Zahl der hierzulande bedrohten Sprachen auf insgesamt 13 beziffert, auch

  1. Alemannisch
  2. Bairisch,
  3. Ostfränkisch,
  4. Rheinfränkisch,
  5. Moselfränkisch,
  6. Niedersächsisch,
  7. Limburgisch-Ripuarisch,
  8. Sorbisch
  9. und Jiddisch.

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Wo sind die meisten Sprachen vom Aussterben bedroht?

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) beziffert in ihrem Bericht „Bedrohte Sprachen. Gefahr für Minderheiten weltweit“ (PDF-Download) die bedrohten Sprachen je Kontinent beziehungsweise beschreibt sie den Fortschritt des Sprachensterbens dort:

  • In Afrika, insbesondere in Algerien, Nigeria, Äthiopien, im Sudan, im Tschad, in Kenia und Tansania, seien demnach mehr als 350 Sprachen akut vom Aussterben bedroht.
  • In Asien (hier vor allem in den Bergregionen Indiens, in Indonesien, in Papua-Neuguinea, in ChinaTibet und Ostturkestan) seien demnach mehr als 990 Sprachen akut bedroht.
  • In Australien-Neuseeland-Ozeanien seien laut dem GfbV-Bericht bis zu 150 Sprachen vom Aussterben bedroht.
  • Für Europa nennt der Bericht keine konkrete Zahl bedrohter Sprachen, verweist aber auf Sprachminderheiten wie die Deutschen in Ungarn oder die Ungarn in Rumänien hin.
  • In Nordamerika seien zwischen 1997 und 2009 mehr als 20 indianische Sprachen verschwunden.
  • In Mittel- und Südamerika seien die indigenen Sprachen vor allen von den jeweiligen Amtssprachen der Staaten bedroht. Die indigene Muttersprache werde offiziell ins Private gedrängt – wo sie nach und nach verschwinde.

Aussterbende Sprachen

Was sind Gründe für das Aussterben von Sprachen?

Die GfbV macht in ihrem Bericht darauf aufmerksam, dass statistisch betrachtet alle zwei Wochen eine Sprache verschwinde. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts blieben von den rund 7.000 Sprachen, die heute weltweit noch gesprochen würden, nur noch etwa 3.000 übrig.

Für das Aussterben von Sprachen gibt es verschiedene Gründe. So bringt die Globalisierung unter anderem mit sich, dass bestimmte Sprachen zu Mehrheitssprachen werden, weil sie von immer mehr Menschen gelernt würden, um miteinander reden zu können.

Insbesondere Angehörige (sprachlicher) Minderheiten gäben ihre Sprache der GfbV eher auf, um über die Mehrheitssprache Teil der Mehrheit zu werden. Sprache schafft schließlich Identität und Zughörigkeit. Mit der Zugehörigkeit erhofft man sich gesellschaftliche Teilhabe.

Das Sprachensterben ist aber auch historisch und politisch bedingt. Im Zuge der weltweiten Kolonialisierung wurden ganze Völker ausgerottet. Mit ihnen tötete man auch ihre Sprachen. Wer von den Kolonialisten nicht ermordet wurde, wurde unterdrückt und ausgebeutet – das Erlernen der Kolonialsprache sicherte oft zumindest das Überleben. Als Beispiel dafür führt der Bericht die Geschichte der Indianer Nordamerikas und der Aborigines in Australien an.

Krieg, Flucht, Auswanderung sind weitere Gründe fürs Sprachensterben.

Bis heute fänden sich demnach viele indigene Völker in bedrohlichen Situationen. Ressourcenabbau, Großprojekte wie Palmölplantagen oder Wasserkraftwerke seien auf das Land der Indigenen aus. Die indigenen Gemeinschaften seien zum Teil derart geschwächt, dass sie keine Kraft mehr dafür aufbrächten, ihre Sprache am Leben zu erhalten.

Ein Beispiel für politisch durchgedrücktes Totschweigen einer Sprache sei demnach die Russifizierung Sibiriens.

Die GfbV weist mit Nachdruck darauf hin, dass, wenn eine Sprache bedroht sei, oftmals auch ihre Sprecher bedroht seien und mit der Verletzung ihrer Rechte als Menschen und Völker zu kämpfen hätten.

Was sind Anzeichen dafür, dass einer Sprache das Schweigen droht?

Die Gesellschaft für bedrohte Völker berichtet weiter, dass die Sprachen, die nur noch von weniger als 1.000 Sprechern gesprochen würden, am stärksten vom Aussterben bedroht seien. Das träfe demnach auf mehr als ein Viertel (28 Prozent) aller Sprachen zu – insbesondere auf die Sprachen indigener Völker. Laut dem Bericht sei aber für das Überleben einer Sprache fast noch wichtiger als die Zahl ihrer Sprecher, dass die Sprache von Generation zu Generation weitergegeben werde. Denn dank dieser Sprachvererbung könne ein indigenes Volk mit nur sechzig Angehörigen seine Sprache bewahren, vorausgesetzt, dass es dafür etwas tue. Und ein Volk mit 10.000 Angehörigen könne seine Sprache verlieren, wenn es nichts dafür tue.

Warum ist das Sprachensterben schlimm?

Wenn Minderheiten ihre Sprache zugunsten einer Mehrheitssprache aufgeben, verlieren sie der GfbV zufolge mit ihrer Sprache das wichtigste Abbild ihrer Kultur. Siehe auch: Tote Sprachen?

Alltägliche Ausdrücke, Bezeichnungen für Pflanzen, Tiere, Gegenstände, Orte, Farben, Gefühle und religiöse Werte gehen damit verloren. Die Geschichten und die Geschichte und damit die Verbindung zur eigenen Herkunft ist weg. Für die Menschen bringt der Sprachverlust einen Identitätsverlust. Die GfbV weist darauf hin, dass ein kollektives Trauma, das über Generationen fortwirke, keine seltene Folge sei.

Doch nicht nur die jeweilige Minderheit selbst werde mit dem Verlust ihrer Sprache zum Verlierer. Auch die Weltgemeinschaft verliert: Laut der GfbV verlören wir alle damit Beispiele

  • für menschliches Denken sowie
  • für Möglichkeiten, uns auszudrücken.

Jede Sprache sei demnach ein einzigartiger Schatz von Ideen und Ausdrucksweisen. Mit dem Sprechen einer Sprache ergäben sich stets neue Facetten zwischenmenschlicher Verständigung. Als Beispiel bringt der Bericht die Inuit: Die hätten viele unterschiedliche Wörter für „Schnee“.

Zudem weist die GfbV auf die anthropologische Bedeutung von Sprachen hin: So belege die Verwandtschaft von Ketisch, einer nahezu ausgestorbenen Sprache Sibiriens, mit den Navajo-Sprachen der nordamerikanischen Indianer möglicherweise eine menschheitsgeschichtliche Verbindung der sibirischen und nordamerikanischen indigenen Bevölkerung.

Wie kann man Sprachen retten?

Das beste Mittel, eine Sprache zu retten, ist Wertschätzung. Diese Wertschätzung ist zweiseitig: Sie erwächst einerseits in der Gruppe der Sprecher einer Sprache selbst. Andererseits wird sie von Fremdsprachlern ausgedrückt. Entscheidend für die Wertschätzung ist das Image einer Sprache. Je besser das Image ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Sprechenden ihre Sprache benutzen und weitergeben. Wertschätzung gegenüber einer Sprache lässt sich auch in Gesetzen zum Schutz derselben ausdrücken.

Auch die vollständige Dokumentation von Sprachen trägt zu ihrer Rettung bei. Macht man Sprachen zum Untersuchungsgegenstand von Wissenschaft und Forschung wertet man sie ebenfalls auf. Auch das Übersetzen von wissenschaftlichen und kulturellen Werken aus einer Minderheitensprache in eine Mehrheitensprache und umgekehrt ist Zeichen einer Wertschätzung der Sprachen. Vertiefen Sie Ihr Wissen: Die schwierigsten Sprachen der Welt.

Wobei das schriftliche Übersetzen bei Weitem nicht an die Wirkung mündlicher Sprachvermittlung rankommt. Und hier sollte es nicht immer nur um die Weitergabe von Mehrheitssprache und Standardsprache gehen, sondern auch um die von Minderheitensprachen. Am Ende ist die Rettung einer Sprache Sache eines jeden Einzelnen: Wer sich die Mühe macht, seine Sprache an seine Kinder weiterzugeben, macht sich selbst, seinen Nachkommen und der Welt die Sprache zum Geschenk. Das sollte die Mühe wert sein.

Die Rolle der Übersetzer und Dolmetscher für die Rettung seltener Sprachen ist zentral: Unsere professionellen Sprachexperten beherrschen auch seltene Sprachen und Dialekte. Vertrauen Sie unserer Sprachexpertise wir unterstützen Sie gerne bei Ihren Projekten.

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Quellen:

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