Italien: „Scherzi a parte“ – „Scherz beiseite“

Zuletzt aktualisiert: 27. Juli 2023

Das Land der Sonne, der Ästhetik, der Mode und der guten Küche hat in letzter Zeit immer wieder negative Schlagzeilen geschrieben – nicht zuletzt durch seinen ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, der sich unlängst auch noch vor Gericht wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verantworten musste.

Damit war er wieder einmal in allen Medien, und auch die mit dem Deutschen Comedypreis gekrönte „Heute Show“ des ZDF nahm Berlusconis Verteidigungs­rede auf die Schippe. Für Lingua-World bedeutete dies auch wieder einen Einsatz der besonderen Art.

So sollte eine Übersetzerin vom Lingua-World Übersetzungsbüro Italienisch für die Sprachkombinationen Italienisch-Deutsch, Deutsch-Italienisch einige Auszüge von Berlusconis Rede in die deutsche Sprache übersetzen. Dabei war natürlich nicht nur die sprachliche Bedeutung an sich, sondern auch der Sprachwitz bzw. die Situationskomik wichtig. Und das ist schlussendlich das Entscheidende, aber auch die Qualität, die einen guten Übersetzer bzw. Dolmetscher ausmacht, sich genau in dem Gebiet nicht nur sprachlich, sondern auch fachlich auszukennen und zu reagieren.

Aktuell sprachen wir darüber mit Alessandra Savastano, die nun schon seit einigen Jahren für die italienische und englische Sprache sowohl als Übersetzerin und Dolmetscherin als auch als Projektmanagerin tätig ist.

Alessandra, welche Fach- oder Themengebiete werden bei Lingua-World am häufigsten übersetzt?

Seit circa 1,5 Jahren beschäftigen wir uns stark mit der ausländischen Berichterstattung über bestimmte deutsche Konzerne, die unsere Übersetzung brauchen, um sich ein Bild über ihre Wahrnehmung in anderen Ländern zu machen.

Diese Textsorte zu übersetzen gehört zu den angenehmeren Aufträgen und durch das große Aufkommen sind wir schon richtige Fachleute in diesem Bereich! Daneben übersetzen wir, wie das ganze Jahr über, viel Schriftverkehr der Staatsanwaltschaft, technische Handbücher und Marketingtexte.

Auf welche Themen sind Sie spezialisiert und welche Ausbildung haben Sie?

Ich habe einen Diplomabschluss im Dolmetschen und Fachübersetzen für die Sprachen Italienisch und Englisch. Im Laufe meiner Freiberuflichkeit habe ich mich auf die Fachgebiete Recht, Metallurgie, Automobil und Marketing spezialisiert.

Momentan versuche ich, Tamil – eine südindische Sprache – zu lernen, was sich als sehr schwierig erweist! Zudem habe ich seit diesem Jahr einen Lehrauftrag an der Universität Düsseldorf, wo ich versuche, den Studierenden den Beruf des Dolmetschers und Übersetzers näher zu bringen.

Arbeiten Sie eher als Dolmetscherin oder als Übersetzerin? Was macht da jeweils den Reiz aus? Was ist spannender?

Ich bin gerne unterwegs und finde es schön, dabei Kontakt zu anderen Menschen zu haben, daher macht mir das Dolmetschen mehr Spaß, obwohl ich wahrschein­lich mehr Zeit mit dem Übersetzen als mit dem Dolmetschen verbringe. Ich empfinde das Dolmetschen als spannender, weil man vor Ort eine gute Leistung erbringen muss und dabei mitten im Geschehen sitzt, ohne wirklich beteiligt zu sein.

Auf diese Weise lernt man in kurzer Zeit viel mehr als beim Übersetzen. Das Gesagte wird unmittelbar in die andere Sprache übertragen, man bemüht sich, nachdem man sich zu Hause auf das jeweilige Thema vorbereitet hat, die wichtigsten Informationen grammatikalisch und lexikalisch richtig zu dolmetschen, geht dann nach Feierabend zufrieden nach Hause, weil die Arbeit getan ist.

Dagegen gibt es Übersetzungsprojekte, bei denen man versucht ist, sie nochmal und nochmal zu überarbeiten, bevor man die Arbeit liefert. Der Text schwirrt dann einem oft lange im Kopf herum und man kommt nicht so leicht zur Ruhe. Im Gegensatz dazu aktualisiert man nach einem Dolmetschauftrag zum Zwecke der Qualitätssicherung das eigene Glossar, das man zum jeweiligen Kunden angelegt hat, so dass es beim nächsten Mal noch besser läuft und das war’s! Andererseits haben wir letztes Jahr im Sommer Nachtschichten eingelegt, als wir alle gespannt auf die Verkündung eines wichtigen Urteils gewartet haben, das wir dann so schnell wie möglich samt Berichterstattung übersetzen sollten – das war auch sehr spannend.

Was ist überhaupt der grundsätzliche Unterschied?

Das, was beide Disziplinen gemeinsam haben, ist die Zweckmäßigkeit. Sowohl das Übersetzungs- als auch das Dolmetschprodukt sollen im Endeffekt dieselbe Funktion haben wie das Original, d.h., dass beim Leser oder Zuhörer dieselbe Wirkung erzielt werden soll, als würde er das Original lesen oder hören. Der Unterschied ist dabei derselbe wie allgemein beim geschriebenen oder gesprochenen Wort. Wenn man einen Text verfasst, arbeitet man im Idealfall sehr genau, damit es keinen Spielraum für andere Interpretationen gibt.

Daher muss man beim Übersetzen auch ganz genau auf die Wortwahl und Auslassungen achten, und das Ganze muss am Ende auch idiomatisch klingen. Gedolmetscht werden idealerweise Reden und Redebeiträge, die eine andere Zielsetzung als Texte haben. Damit soll einfach nur eine Information oder Botschaft vermittelt werden. Das ist letzten Endes auch die Funktion des Dolmetschers: Er soll die Information oder Botschaft in die andere Sprache übertragen, wobei er Dinge auslassen, zusammenfassen oder näher erläutern kann, wenn ihm das dabei hilft, seine Aufgabe zu erfüllen.

Was für Arten des Dolmetschens gibt es? Konsekutiv? Flüstern? Simultan…

Es gibt Konsekutivdolmetschen, bei dem der Dolmetscher ca. 10 Minuten zuhört, sich Notizen macht und das Ganze dann wiedergibt. Diese Form des Dolmetschens haben wir zwar alle in der Uni gelernt, sie ist mittlerweile auf dem Markt allerdings nur selten gefragt, weil man damit für eine Sitzung beispielsweise mehr Zeit braucht, als beim Simultandolmetschen, bei dem die Übertragung unmittelbar nach der Äußerung erfolgt.

Beim Simultan- oder Konferenzdolmetschen sitzt man dabei entweder in einer schallisolierten Kabine oder neben der Person, für die man dolmetscht; Letzteres nennt man dann Flüsterdolmetschen, was sowohl für die Veranstaltungsteilnehmer als auch den Dolmetscher zu den weniger angenehmen Dolmetscharten gehört, da das ständige Flüstern im Raum die anderen stört und bei einem selbst auf die Stimmbänder geht. Daneben gibt es noch das Gesprächsdolmetschen, das vor allem bei Meetings zwischen zwei kleineren Parteien verwendet wird.

Worauf kommt es beim Dolmetschen im Gespräch an? Auf die 1:1- Wiedergabe, oder kann/muss man auch manchmal improvisieren, um den Zusammenhang herzustellen?

Wie schon oben erklärt, kommt es darauf an, die Information in die andere Sprache zu übertragen, sodass sie beim Empfänger so ankommt, als würde er die Ausgangssprache verstehen. Eine 1:1-Übertragung wäre da vielleicht ideal, aber faktisch unmöglich. Menschen sprechen oft sehr unstrukturiert oder können nicht deutlich das zum Ausdruck bringen, was sie meinen, reden um den heißen Brei herum oder lenken mit tausend Nebensätzen vom Hauptgedanken ab. Daher muss der Dolmetscher manchmal mit Zusammenfassungen, Auslassungen oder Vereinfachungen arbeiten. Das kann manchmal sogar dazu führen, dass die Verdolmetschung verständlicher ist als das Original. Daher kann oder muss der Dolmetscher oft Abstand vom Gesagten nehmen, damit die Botschaft rüberkommt.

Wörterbuch Italienisch

Kann man auch emotional reagieren, oder muss man stets neutral bleiben, z. B. wenn man die Dankesrede von Neupräsident Barack Obama simultan und live dolmetschen muss?

Man sollte auf jeden Fall auch ein wenig schauspielerisches Talent haben und versuchen, mit seiner Stimme dieselben Emotionen zu vermitteln, die man beim Dolmetschen selbst im Ohr hat. Immerhin spielt auch die Intonation bei der Äußerung einer Botschaft oder Information eine große Rolle! Man muss es ja nicht übertreiben und selbst anfangen, zu weinen, aber ganz falsch wäre es, alles emotionslos und trocken herunter zu rattern. Ich denke aber, dass man die Stimmung als Dolmetscher automatisch übernimmt.

Wenn man z.B. im Fernsehen live vor einem Millionenpublikum dolmetscht, wie neulich bei „Wetten dass“, da hat es ja herbe Kritik von Studiogast Tom Hanks gegeben, weil der Dolmetscher die Witze nicht übersetzt hat, sondern nur „Bla, bla, bla…“ gesagt hat. Was meinst du dazu, und wie hättest du da reagiert?

Witze zu dolmetschen ist das Schwierigste, aber darüber sind sich viele einfach nicht bewusst. Es ist natürlich einfacher, den Dolmetscher zu kritisieren. Man stelle sich jedoch vor, man müsste jemandem, der keinen Humor versteht, einen Witz erklären. Da ist es ja schon vorprogrammiert, dass derjenige nicht lachen wird, und somit ist der Zweck des Witzes nicht erfüllt. Genauso muss man sich also fragen, wozu der Dolmetscher Tom Hanks oder Halle Berry stundenlang erklären soll, wieso es lustig ist, dass ein Mann, der sich normalerweise mit einer getönten Brille und einer Lockenperücke verkleidet, in dieser Sendung einen rosafarbenen Anzug trägt.

Dieser Art von Humor liegt eine ganze Kultur zugrunde, die kann man ja nicht in wenigen Sekunden erklären. Zugegeben hätte der Dolmetscher sich etwas diplomatischer verhalten können. Ich hätte versucht, ihm alles ansatzweise zu erklären und hätte es ihm überlassen, das Ganze lustig zu finden oder nicht. Manchmal gibt es da auch Tricks. Wenn ein Redner bei einer Konferenz beispielsweise einen unübersetzbaren Witz macht, kann man den Teilnehmern einfach sagen: „Bitte lachen, der Redner hat einen Witz gemacht!“, dann lachen meistens alle automatisch und alle sind zufrieden.

Gibt es ein besonders aufregendes oder lustiges Erlebnis, das dir beim Dolmetschen passiert ist?

Das einzige, das mir momentan einfällt, ist ein Auftrag bei einer kleinen Kölner Tochtergesellschaft eines italienischen Unternehmens. Der deutsche Geschäfts­führer wollte dem italienischen Chef mitteilen, dass er zurücktreten wolle. Eigentlich sollte dieser Einsatz nur zwei Stunden dauern, aber da sich der deutsche Herr einfach nicht traute, seine Entscheidung auszusprechen, zog sich der Auftrag vom Frühstück, Mittagessen und Nachmittagskaffee bis hin zum Abendessen. Ich war die ganze Zeit einfach dabei und die Italiener fragten sich schon wieso. Letztendlich, beim Nachtisch, traute er sich endlich, sein über den ganzen Tag wohl gehütetes Geheimnis preiszugeben, und sein italienischer Chef nahm es sofort hin und das Thema war nach zwei Minuten gegessen.

Würdest du jungen Leuten raten, diesem Beruf zu erlernen? Warum?

Wer Spaß am Umgang mit Sprachen hat, sehr diszipliniert ist und ein gewisses Talent mitbringt, sollte in Erwägung ziehen, Dolmetschen oder Übersetzen zu studieren. Man muss sich einfach darüber bewusst sein, dass das Studium sehr hart ist, viele Leute ausgesiebt werden und es dabei bestimmt nicht so locker zugeht, wie in anderen Studiengängen. Auf die Fähigkeiten und Kompetenzen, die man sich dabei jedoch aneignet, kann man aber zu Recht stolz sein.

Alessandra, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin „Viel Spaß!“ „Buon divertimento!!”

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