Mehrere Sprachen lernen – was macht das mit dem Gehirn? 13 Fragen & Antworten

Zuletzt aktualisiert: 11. Oktober 2023

Wer neben seiner Muttersprache eine Fremdsprache lernt, macht sich damit zwei­sprachig (bilingual). Sind es sogar mehrere Fremdsprachen, wird man mehr­sprachig (multilingual). Weil Sprache auch Kultur ist, bringt das Erlernen von Fremdsprachen das Verständnis anderer Kulturen mit sich.

Doch nicht nur die Welt wird dank der Mehrsprachigkeit größer und (sprach)­grenzen­loser – auch im Gehirn passiert et­was: Die Forschungsprofessorin der Psychologie an der York University in Kanada, Ellen Bialystok, sagt zum Beispiel, dass zweisprachige Gehirne gesünder sind. Stimmt das? Wir liefern hier Antworten auf 13 Fragen zum Einfluss der Zwei- und Mehrsprachigkeit auf das Gehirn.

Statistische Einblicke zur Zweisprachigkeit

  1. Wie viele Menschen auf der Welt sind zwei- und mehrsprachig?

Mehr als die Hälfte der Menschen weltweit sprechen mindestens zwei Sprachen: Schätzungsweise sind es zwischen 60 und 70 Prozent.

  1. Wie viele Menschen in Deutschland sprechen mindestens zwei Sprachen?

Auf die Frage „Wie viele Sprachen sprechen Sie?“ antworteten im Sommer des Jahres 2021

  • 40 Prozent der 1.1.40 befragten Deutschen Ü18 mit „zwei“.
  • 16 Prozent mit „drei“.
  • 3 Prozent mir „vier“.
  • 2 Prozent mit „fünf oder mehr“.
  • 35 Prozent gaben an, nur eine Sprache zu beherrschen und 3 Prozent beantworteten die Frage mit „Weiß nicht“ beziehungsweise machten sie keine Angabe.

Das heißt, dass fast zwei Drittel der Deutschen mindestens eine zweite Sprache beherrschen. Das passt zur weltweiten Verbreitung der Zwei- und Mehrsprachigkeit (siehe Frage 1).

  1. Wie viele mehrsprachige Länder gibt es?

Auf diese Frage gibt es nicht nur eine Antwort: Denn je nachdem,

  • ob die Antwort sich beispielsweise auf die in einem Land gesprochenen sogenannten offiziellen Amtssprachen bezieht oder auf sämtliche dort anzutreffende Sprachen,
  • oder ob es sich um ein Land mit zwei (bilingual) oder mehr Sprachen (multilingual) handelt,

liefert sie eine variierende Zahl der Länder.

Man findet online zum Beispiel 1Länderlisten wie diese mit allen Ländern der Welt von A bis Z und ihren Amtssprachen. Knapp 70 der aufgelisteten Länder haben demnach mehr als eine offizielle Amtssprache. Und diese Liste zeigt – sortiert nach Kontinenten und Regionen innerhalb dieser – auf, 2welche Sprachen in einzelnen Ländern und Regionen gesprochen werden.

Mehrsprachigkeit

Viele unserer professionellen Dolmetscher und Übersetzer in unserem Übersetzungsbüro profitieren von ihrer Zwei- oder Mehrsprachigkeit, in der sie von klein auf an aufwuchsen. Das merkt man am Sprachniveau ihrer Arbeiten. Wollen auch Sie hochwertige Sprach­dienstleistungen von Muttersprachlern, rufen Sie uns gerne an! Wir freuen uns darauf, Sie zu unterstützen!

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Der Beginn des Spracherwerbs

  1. Ab wann lernt ein Baby seine Sprache/n?

Sprache lernen – mit dem Hören fängt’s bei den Babys schon im Mutterleib an

Schon im Bauch der Mutter hören die Babys die mütterliche Stimme und die Stimmen der Menschen in der Nähe. Untersuchungen zeigten, dass Neugeborene ihre Muttersprache von anderen Sprachen unterscheiden können. Bilinguale Frauen, die ihre beiden Sprachen auch während der Schwangerschaft sprachen, bringen Babys zur Welt, die „ihre“ beiden Muttersprachen erkennen und sogar voneinander unterscheiden können.

Fazit: Daraus lässt sich zum einen schließen, dass das Erlernen einer Fremdsprache mit dem Hören derselben startet. Zum anderen kommt man zu dem Schluss, dass die Grundlagen für eine Zwei- oder Mehrsprachigkeit schon sehr früh vorhanden sind.

Spannend in diesem Zusammenhang ist auch das folgende Untersuchungs­ergebnis: Vier bis sechs Monate alte Babys können nur an der Mimik (Gesichts­ausdruck, Bewegungen des Mundes) schon erkennen, ob ihre Muttersprache gesprochen wird oder eine fremde Sprache. Noch spannender: In einem einsprachigen (monolingualen) Zuhause sind die Kinder dazu mit etwa acht Monaten nicht mehr in der Lage.

Kinder aus einem zweisprachigen Elternhaus dagegen bewahrten sich diese Fähigkeit. Ein Grund für diese unterschiedliche Entwicklung könnte der sein, dass Kinder in mehrsprachiger Umgebung diese Unterscheidungsfähigkeit anhand der Mimik weiterhin brauchen – Kinder in einsprachigen Elternhäusern dagegen nicht. Das Untersuchungsergebnis belegt damit auch die hohe Bedeutung von Mimik, Gestik und Körpersprache beim Sprachen lernen in diesem Alter.

Aktueller Wissensstand ist zudem, dass ein Baby seine zwei Elternsprachen dann eher lernt, wenn jedes Elternteil nur eine Sprache spricht. Der Grund dafür ist auch hier die dann einfachere Lautunterscheidung.

Sprache sprechen lernen – frühe Laute haben schon muttersprachliche Melodie

Schauen wir auf die andere Seite des Spracherwerbs: Es gibt Studien, die belegen, dass Neugeborene in Lautmelodien (Mustern) „sprechen“ (weinen, schreien), die typisch für ihre Muttersprache sind. Reagieren die Erwachsenen auf den per Laut bekundete Bedarf des Babys, speichert es dies im Gehirn ab.

Optimale Zeiträume für den Spracherwerb

  1. Wann ist der beste Zeitpunkt, um eine Fremdsprache zu lernen?

Aktuell herrscht die Meinung vor, dass ein Kind eine zweite oder mehrere weitere Sprachen der unmittelbaren Sprachumgebung am besten in dem Zeitfenster direkt nach der Geburt erlernt. Im zweitbesten Lernalter für Sprachen der Umgebung sollen Zwei- bis Siebenjährige sein. Ein drittes Zeitfenster – zehntes bis dreizehntes Lebensjahr soll sich eignen, um Sprachen zu lernen, die weder zuhause noch in der unmittelbaren Umgebung der Kinder gesprochen werden.

Der Grund für dieses Lernzeitfenster-Ranking mit den Top 3 unter 14 (U14) ist der: Das Gehirn von kleinen Kindern ist noch sehr formbar. Das Gehirn zweisprachig aufwachsende Kinder passt sich rasch an, zwei Sprachen zu sprechen – und den dafür nötigen Mehraufwand zu leisten. Anders bei Erwachsenen: Deren Gehirn ist vergleichsweise stabil. Es braucht mehr Aufwand, um die weitere Sprache zu lernen (siehe auch Frage 9).

Mythen und Wahrheiten über die Mehrsprachigkeit

  1. Bringt das gleichzeitige Erlernen einer Fremdsprache kleine Kinder durcheinander, die gerade ihre Muttersprache erlernen?

Lange hieß es, dass Zwei- oder Mehrsprachigkeit Kinder geistig verwirre. Es gibt inzwischen Studien, die das nicht bestätigen. Stattdessen zeigten sich zweisprachige Kinder einsprachigen in den meisten Tests überlegen, vor allem beim Lösen sprachlicher Aufgaben, die den Unterschied zwischen Form und Bedeutung betonten, sowie bei nonverbalen Aufgaben, wo es darum ging, gewissen Ablenkungen nicht nachzugeben. Hohe Flexibilität beim Bearbeiten wechselnder Aufgaben, ein großes Arbeitsgedächtnis und eine starke Aufmerksamkeits­steuerung sind vorteilhafte Fähigkeiten, die man Zweisprachigen zuschreibt.

Woher stammt die Aussage, dass die Mehrsprachigkeit Verwirrung stiftet? Bei zweisprachig aufwachsenden Kindern kommt es mitunter in den ersten Lebensjahren zu einer leicht verzögerten Sprachentwicklung. Ebenso treten zeitweise Sprachmix-Phasen auf. Diese anfänglichen „Nachteile“ verschwinden später. Die meisten Studien schreiben zweisprachigen Menschen Vorteile in der Denkfähigkeit zu, vor allem bei der Sprachanalyse oder beim Erwerb weiterer Sprachen.

  1. Ist das Gehirn zweisprachiger Menschen anders als das einsprachiger?

Studien an erwachsenen Zweisprachigen ergaben zwei Trends:

  • Einerseits sind die verbalen Fähigkeiten von Zweisprachigen in jeder Sprache im Allgemeinen schwächer als die von einsprachigen Sprechern der jeweiligen Sprache. So kennen und erkennen die Zweisprachigen meist weniger Wörter in der Sprache (sogenannter Verstehenswortschatz, auch passiver oder rezeptiver Wortschatz genannt). Zweisprachige benennen Bilder langsamer und weniger genau als Einsprachige. Ebenso beim Verstehen und Produzieren von Wörtern sowie beim Redefluss – und dies auch dann, wenn sie in ihrer ersten und dominanten Sprache antworten.
  • Andererseits verfügen Zweisprachige in allen Altersstufen über bessere exekutive Kontrolle als Einsprachige. Mit der exekutiven Kontrolle unterstützen wir das Denken auf hohem Niveau, Multitasking und anhaltende Aufmerksamkeit. Bei zweisprachigen Kindern wie Erwachsenen setzt sich dieser Vorteil bis ins hohe Alter fort. Wichtig: Er schützt vor kognitivem Verfall.
  1. Ist das zweisprachige Gehirn gesünder als das einsprachige?

Während sich gesunde zweisprachige Gehirne nicht groß von einsprachigen unterscheiden und die Unterschiede insbesondere bei sehr schwierigen Aufgaben zutage treten, ist es bei kranken ganz anders: Zweisprachigkeit kann laut Studien den Ausbruch von Demenzerkrankungen wie Alzheimer hinauszögern. Wir reden hier von bis zu vier Jahren! Zudem verkraften zweisprachige Gehirne Alzheimer besser als einsprachige, vorausgesetzt, dass beide Sprachen etwa gleich stark benutzt werden. Als Grund dafür wird angenommen, dass das zweisprachige Gehirn große Denklistungen gewohnter ist als das einsprachige. Insofern spricht die Studienlage dafür, dass das zweisprachige Gehirn nachhaltig fitter als das einsprachige ist.

Die neurologischen Aspekte der Sprachverarbeitung

  1. Wo verarbeitet das Gehirn Sprache?

Schon lange steht fest, dass die linke Gehirnhälfte der Ort ist, wo wir Sprache großteils verarbeiten. Die entsprechenden Areale heißen Broca- und Wernicke-Areal. Das Broca-Areal gilt als motorisches Sprachzentrum, dort produzieren wir unsere Sprache. Schon bei teilweisen Schäden in diesem Gehirnareal machen wir schwere grammatische Fehler. Das Wernicke-Areal ist der Ort, wo wir Sprache verstehen. Ist es geschädigt, reden wir sinnloses Zeug. Wir können Geräusche dann auch nicht mehr ihren Quellen zuschreiben.

Jüngere Erkenntnisse zeigen, dass Sprache auch in einem beträchtlichen Teil der Großhirnrinde und in Teilen der unter ihr liegenden Regionen (linker hinterer Thalamus im Mittelhirn) stattfindet. Die rechte Hirnhälfte ist unter anderem am Deuten von Sprache beteiligt. Sie verarbeitet auch Musik und Gefühle.

  1. Verarbeitet das Gehirn verschiedene Sprachen an verschiedenen Orten?

Laut Studien verarbeitet das Broca-Hirnareal sehr zeitig im Leben erworbenen Sprachen in denselben Netzwerken.

Lernen wir die Sprache erst später, aktiviert das Gehirn nebeneinander liegende Bereiche für jede neue Sprache. Separate Netzwerke machen dem Gehirn mehr Denkarbeit.  erhöhte kognitive Anforderung an das Gehirn stellen. Erste Ergebnisse scheinen die Hypothese von Kim zu bestätigen, dass die unterschiedlich identifizierten Aktivierungsmuster im Bereich der Mehrsprachigkeit in separaten Netzwerken eine erhöhte kognitive Anforderung an das Gehirn stellen. Das belegt auch, dass früher Spracherwerb (Ersterwerb) spielerischer und müheloser ist als der späte.

Das ist eine wichtige Erkenntnis: Denn sie zeigt uns, dass Spätlernende in der Fremdsprache nur mit extra Motivation, Training, Fleiß oder einem Auslandaufenthalt auf ein ähnlich hohes Sprachniveau kommen wie Frühlernende. Wozu anzumerken ist, dass dies nicht für die grammatische Korrektheit oder die Aussprache gilt. Aber: Sprechen Spätlernende auf einem ähnlichen Sprachniveau wie Frühlernende ist ihr Hirn bei grammatischen Aufgaben sichtlich aktiver.

Inzwischen wurde auch nachgewiesen, dass Zweisprachige für ihre beiden Sprachen denselben Speicher in der linken Großhirnhälfte nutzen.

  1. Ist es sinnvoll, mehrere Sprachen zugleich zu lernen?

Die Antworten zu den vorhergehenden Fragen 6 bis 9 sprechen teils sehr dafür, mehrere Sprachen zugleich zu lernen. Denn das Gehirn arbeitet dann sehr flexibel und fokussiert sich mehr auf die Unterschiede beider Sprachen, praktisch im Vergleich. Das beugt Verwechslungen der Sprachen vor.

Das parallele Lernen bedeutet zudem insgesamt weniger Lernaufwand (Gehirn­leistung) als für das nacheinander Erlernen der Sprachen. Dabei könnte man sich auch fragen, was ist die schwerste Sprache der Welt, und ob das parallele Lernen bei besonders kom­plexen Sprachen wie Arabisch oder Mandarin ebenso effektiv wäre.

  1. Wie trennt das Gehirn Zweisprachiger seine beiden Sprachen?

Wir aktivieren unseren cingulären Cortex, wenn wir die Wahl zwischen zwei Reaktionen haben, um eine davon zu unterdrücken. Auch beim Wählen einer Sprache ist diese gürtelförmige Hirnregion aktiv. Zudem wählt der Nucleus caudatus die Sprache mit. Das Bild von zwei Wörterbüchern im Gehirn beschreibt das ganz gut.

Zeitgleich zur Auswahl der richtigen Sprache blockt das Gehirn Wörter anderer Sprachen. So wird ein Vokabelmix vermieden.

  1. Dominiert die Muttersprache die Fremdsprache/n im Gehirn?

Aktuelle Forschungen zeigen, dass im Gehirn zweisprachiger Menschen stets beide Sprachen „wach“ sind. Dies auch dann, wenn nur eine aktiv verwendet wird (zum Denken, Sprechen, Verstehen). Bekannt ist zudem inzwischen, dass die Muttersprache die Stärke der sprachlichen Verdrahtung im Gehirn und damit die sprachliche Struktur beeinflusst.

Fazit

  1. Je früher eine Fremdsprache gelernt wird, desto leichter fällt es dem Gehirn.
  2. Es ist für das Gehirn einfacher, Sprachen parallel zu lernen als nacheinander.
  3. Mehrsprachigkeit bringt Vorteile für das Gehirn, beispielsweise eine höhere Denkleistung.
  4. Die höhere Denkfähigkeit ist nachhaltig und beugt Demenz vor.

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Quellen:

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